Expetionsarztbörse

"Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben"** Theodor Fontane †1898

Do's and Don'ts

Exotische Lebensmittel

Das gefährlichste und im Extremfall tödliche Nahrungsmittel ist Salat. Aber auch wenn man von den Gefahren der in verunreinigten frischen Lebensmittel lauernden Keime absieht, können die kulinarischen Gebräuche anderer Länder eine Herausforderung darstellen. Tödlich endet das selten, wenn man nicht gerade in Japan einen falsch zubereiteten Kugelfisch vorgesetzt bekommt. Schwierig ist dagegen der Verzehr vieler authentisch gewürzter Gerichte in Indien, Lateinamerika und Südostasien. Während entsprechende Restaurants in Deutschland ihre Rezepte oft entschärft haben, beschäftigen die Mengen des Chili-Wirkstoffes Capsaicin in einem echten südindischen Curry den Reisenden gleich mehrere Tage, denn gutes Chili brennt zweimal. Das Capspiacin bindet im Mund nicht an Geschmacks-, sondern an Schmerzrezeptoren der Zunge. Isländischer Gammelrochen oder fermentierte chinesische Eier sind dagegen unbedenklich, wenn auch eine olfaktorische Zumutung. Bei den Getränken kann man sich auf simples Wasser beschränken, das jedoch vertrauenswürdig abgepackt oder abgekocht sein sollte. In manchen Kluturen kommt man nur schwer um den exzessiven Genuss von Alkohol herum. Bei Einladungen in Russlamnd sollte man medizinische Probleme vortäuschen und den angebotenen Wodka konsequent ablehnen. Andernfalls wird es schwer, sich dem Wetttrinken mit den Gastgebern zu entziehen. Und

Mutprobe Straßenverkehr

„Inschallah“, sagt der türkische Dolmusch Fahrer vor dem Überholen in der Kurve. Und sein ägyptischer Kollege fährt nachts auf Überlandfahrten am liebsten ohne Licht, „um Benzin zu sparen“. Auf 1,3 Millionen Tote und 50 Millionen Verletzte schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO die jährliche Gesamtzahl der Unfallopfer, 90% davon in Entwicklungs- und Schwellenländern, obwohl sich dort nur knapp die Hälfte der weltweit zugelassenen Autos findet. Verkehrsunfälle sind damit der WHO zufolge die häufigste Todesursache für junge Menschen zwischen 5 und 29 Jahren. Besonders gefährlich sind die dem letzten Statusreport der WHO von 2009zufolge die Cook-Inseln mit 45 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner und Jahr, gefolgt von Lybien (35), Südafrika (33), und Iran (22). In Deutschöand liegt diese Rate bei etwa 5. Wer sich also auf Bali für eine Spritztour mit dem Mietmoped entscheidet oder in Nepal eine Straße überquert, sollte sich vor Elefanten oder Gifttieren kaum noch fürchten.

Unwesen im Ozean

Treibt ein Hai irgendwo sein Unwesen, erfährt das in der Regel sofort die ganze Welt. In Wirklichkeit sind unprovozierte Haiangriffe eher selten. 75 Haiattacken verzeichnete der International Shark Attack File der Universität von Florida im Jahr 2011, zwölf endeten tödlich. Im langjährigen Durchschnitt sind es nur fünf. Sehr viel wahrscheinlicher, wenn auch selten tödlich, ist für Badende die Begegnung mit einem der veilen Gifttiere im Meer. Weltweit verbreitet sind Quallenarten, deren Nesselkapseln die menschliche Haut durchdringen. Das Gift, das sie dabei injizieren, ist von Quallenart zu Quallenart unterschiedlich wirksam. Während die im Mittelmeer häufige Feuerqualle nur leichte bis mittelschwere Vernesselungen verursacht, kann das Gift der vor Australien vorkommenden Seewespe einen Menschen innerhalb weniger Minuten töten. Tätsächlich passiert dies aber nur sehr selten bei extremen Kontakt mit dem Tier, die meisten Betroffenen kommen mit schlecht heilenden Hautwunden davon. Mit ihren Giftstacheln können auch viele andere Meerestiere dem Badenden gefährlich werden. Im Sand, zwischen den Felsen und im offenen Meer lauern Steinfisch, Petermännchen und Kegelschnecken, Blauringelkraken, Stachelrochen und extrem giftige,

Kriminalität

Ein unfreiwillig verlängerter Urlaub kann durchaus etwas Abenteuerliches haben, wenn man in den Bergen eingeschneit wird oder isländische Vulkane den Flugverkehr lahmlegen. Völlig anders sieht es aus, wenn man gewltsam im Urlaubsland festgehalten wird. Nach Angaben des Versicherungskonzerns AIG werden jährlich rund 20.000 Lösegeld-Entführungen registriert. Die wahre Zahl liegt laut Experten eher beim Fünffachen, da sich die meisten Angehörigen nicht den örtlichen Sicherheitsbehörden anvertrauen. Gutbetuchte Touristen sind gerade in ärmeren Ländern ein naheliegendes Ziel. Spitzenreiter ist seit Jahren Kolumbien, wo nach unterschiedlichen Schätzungen jährlich zwischen 1000 und 3000 Menschen entführt werden. Die durchschnittliche Lösegeldsumme beträgt hier 50.000 Dollar, und die Entführer sind oftmals Rebellengruppen wie FARC oder ELN, die ihren bewaffneten Kmpf gegen die Regierung mit Lösegeldern finanzieren. Als besonders gefährlich gelten auch andere süd- und mittelamerikanische Länder wie Brasilien, Mexiko oder Venezuela. Problematisch sind in dieser Hinsicht außerdem Indien, der Jemen und die Philippinen. Noch viel häufiger haben es Kriminelle direkt auf Wertsachen und Geld abgesehen, um die man gerade in Ländern mit einer verbreiteten Gewaltkultur nicht unter Einsatz des Lebens kämpfen sollte. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand und entsprechender Information über besondere Gefahren lassen sich die Risiken der Kriminalität aber minimieren. Man sollte zum Beispiel nicht ausgiebig in einem Dorf im mexikanischen Hochland nach dem Weg fragen, bevor man sich zu einer einsamen Wanderung aufmacht. Das systematische Erleichtern von Reisenden ist im Übrigen nicht nur ein Phänomen exotischer Länder. Auch im europäischem Ausland spezialisieren sich kriminelle banden darauf, Touristen mit allerlei Tricks oder blanker Gewalt auszurauben. Hüten sollte man sich in vielen Ländern aber auch umgekehrt davor, selbts kriminell zu werden. Ein extremes Beispiel dafür ist Singapur, wo schon der Besitz eines Pfund Haschisch mit dem Tod bestraft wird – und Vandalismus mit dem Rohrstock.

Gefährliche Großtiere

Zoologisch ineressierte zieht es oft wegen der örtlichen Fauna in exotische Länder. Das Wohlwollwn ist jedoch nicht immer gegenseitig, und so gilt das Nilpferd als das gefährlichste Großtier Afrikas. „Keine Ahnung, wo dieses Gerücht seinen Anfang nahm. Vielleicht in einem Dorf am Flussufer“, sagt Craig Packer von der University of Minesota. Zumindest in Tansania seien eindeutig Löwen und Elefanten die gefährlichsten Tiere. „In einem schlechten Jahr töten sie jeweils an die hundert Menschen, in etwa so viele wie Krokodile, Leoparden, Flusspferde und alle übrigen Wildtierarten zusammen.“ Auch in Indien führen Elefanten die Rangliste an, gefolgt von Tigern und Leoparden. In gemäßigteren Breiten fürchtet man sich traditionell eher vor Wolf und Bär. Dabei wurden im gesamten 20. Jahrhundert nur rund 300 von Braun- und Grizzlybären getötete Menschen aktenkundig. Wolfsattacken sind ähnlich selten. Wesentlich mehr Opfer fordern die Bisse und Stiche giftiger Tiere. So schätzt eine Studie in PloS medicine aus dem Jahr 2008 allein die Zahl tötlicher Schlangenbisse auf jährlich bis zu 94.000. Betroffen ist allerdings hauptsächlich die einheimische Bevölkerung ländlicher Gegenden, als Reisender lassen sich tötliche Bekannschaften mit Tieren aller art in der Regel vermeiden. Ausnahme sind die Bisse streunender Hunde, die der WHO Jahr für Jahr rund 55.000 tödliche Tollwutinfektionen verursachen – gerade Touristen bemerken die von den scheinbar zutraulichen Überträgern ausgehende Gefahr leicht zu spät.

Kokosnüsse und Kopfweh

Bevor Barak Obama 2010 den Garten des Gandhi-Museums in Mumbai besuchte, ließen die indischen Behörden vorsorglich alle Kokosnüsse von den dort wachsenden Palmen entfernen. Die Angst vor den in natura zwar in relativ weiche Kokosfasren eingehüllten, afür bis zu vier Kilo schweren und aus bis zu 30 Metern Höhe herabfallenden Früchten ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Das zeigen zwei medizinische Studien – die einzigen zu diesem offenbar vernachlässigtem Thema. Einer Arbeit des kanadischen Arztes Peter Barss aus dem Jahr 1984 zufolge waren zweieinhalb Prozent der Traumaeinweisungen in ein Provinzkrankenhaus in Papua-Neuguineaauf Kokosnussschlag zurückzuführen, im vierjährigen Studienzeitraum verzeichnete das Hospital zwei Todesfälle durch kokosnussbedingten Schädelbruch. „Wenn du diese Verletzungen täglich behandlen musst, sind sie gar nicht mehr so lustig“, kommentierte Barss, als ihm 2001 der Ignoblepreis für skurrile Forschung verliehen wurde. Dass die Verletzungen durch Kokosnüsse keine Kleinigkeiten sind, zeigen auch die im selben Jahr veröffentlichten Fallzahlen des größten Krankenhauses der Salomonen, wo immerhin alle Patienten mit dem Leben davonkamen. Die oft zu lesende Zahl von jährlich weltweit 150 Toten durch Kokosnussschlag scheint zwar etwas hoch gegriffen, von Nickerchen unter Kokospalmen ist jedoch abzuraten.

Verreisen? Sind Sie wahnsinnig?

Wenn Reiselust gegen die Nagst vor exotischen Gefahren antritt, ist die Sache für viele Reisende rasch entschieden. Jahr für Jahr zieht es rund 80 Millionen Menschen, darunter 5 Millionen Deutsche , aus den Industrieländern des Nordens in die Tropen. Und das trotz drohender Naturkatastrophen, Revolutionen, hungriger Raubtiere, gigtiger Quallen un d ergleichen mehr. Allerdings klafft bei der Wahrnehmung von fernen Gefahren eine Lücke zwischen dem gefühlten und dem statistisch belegbaren Risiko. Tragisch wird das, wenn man sich um die falschen Dinge sorgt. So sehr man sich auf Reisen etwa vor einigen gefährlichen Tieren in Ancht nehmen sollte – die wahren Killer auf dem afrikanischen Kontinent haben keine gelbe Mähne und auch keine nadelspitzen Giftzähne, sondern sechs Beine, zwei Flügel und einen Stechrüssel. An der durch Stechmücken übertragenen Infektionskrankheit Malaria sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich 655.000 Menschen, die tatsächlichen Zahlen könnten einer kürzlich im The Lancet veröffentlichten Studie zufolge sogar fast doppelt so hoch liegen. Und neuen von zehn Fällen werden in Afrika registriert. „Die Gefahr, sich als Tourist durch einen Mückenstich mit Malaria zu infizieren ist dort rund 2000 mal höher als in den restlichen Malariagebieten der Tropen“, sagt Hns Dieter Nothdurft, Professor für Infektions- und Tropenmedizin an der Universität München. Tatsächlich zählte das Robert-Koch-Institut 2009 in Deutschland 523 malariakranke Reiserückkehrer, die meisten kamen aus Afrika. Dabei lässt sich einer Ansteckung durch die Einnahme entsprechender Medikamente recht zuverlässig vorbeugen. Für Afrikareisende sei eine solche medikamentöse Prophylaxe fast immer sinnvoll, in Ländern mit geringerem Infektionsrisiko müsse sie dagegen gegen die möglichen Nebenwirkungen dieser Medikamente abgewogen werden, sagt Nothdurft. Hinzu kommt, das die Erreger der Malaria, einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium, in manchen Gebieten gegen eine oder mehrere der verfügbaren Substanzen resistent geworden sind. Welche Prophylaxe in welchem Land noch hilft, und wo man sich im Fall einer Erkrankung besser ein Notfallmedikament zur Selbsttherapie einpackt, wissen Reise- und Tropenmediziner. Noch besser lässt man die Mücken aber erst gar nicht zum Stich kommen. So vertreiben bestimmte auf Haut und Kleider aufgetragene Substanzen die Plagegeister mit ihrem für Menschen eher unauffälligem Geruch. Wirksam sind vor allem die Duftstoffe Diethyltoluamid und Icaridin, während ätherische Öle des Teebaumsoder der Zitrone höchsten eine flüchtige Wirkung zeigen. Hilfreicher sind Moskitonetzte und Kleidungsstücke, die mit Insektiziden aus der Gruppe der Pyrethroide imprägniert worden sind. Sie befördern Insekten schon beim Erstkontakt in Jenseits, sind für den Träger aber weitgehend ungiftig. Diese Mittel zum Schutz vor Blutsaugern helefn auch gegen andere durch Insektenstiche übertragene Krankheiten wie das sich vor allem in Asien stark ausbreitende Denguefieber, Gelbfieber oder die von winzig kleinen und durch jedes Netz schlüpfende Sandmücken übertragene Leishmaniose. Krankheitserreger warten aber nicht nur in Stechrüsseln von Mücken auf hellhäutige Touristen. Diese leiden mit Abstand am häufigsten am sogenannten reisedurchfall, je nach Herkunftsland auch bekannt als „Fluch des Pharao“ oder „Montezumas Rache“. Fast dreiviertel aller Fernreisenden fangen sich früher oder später einen der veilen unterschiedlichen erreger ein, gegen die Einheimische in der Regel längst immun geworden sind. Die Durchfallkeime, darunter Bakterien wie Salmonellen oder E. coli, hochinfektiöse Noro- und Rotaviren und Einzeller wie Gardia intestinalis, stammen meist aus mit Fäkalien verunreinigtem Trinkwasser und gelangen damit auch auf Salate, Früchte oder in Eiswürfel. „Schäl es, koch es oder vergiss es“, lautet der Merkspruch für unbedenkliche Lebensmittel. Trinken sollte man daher nur industriell abgefülltes Wasser und andere Getränke ohne Eis. Wer sich den Salat trotzdem schmecken lässt, riskiert neben einer Unpässlichkeit , die einen Großteil der Reise andauern kann, auch ernstere Infektionen wie Bakterienruhr, Cholera, Thypus und Hepatitis A. Gegen die beiden Letzteren gibt es immerhin wiksame Impfungen. Überhaupt sollte man vor einer fernreise seinen Impfpass überprüfen lassen. So hätten sich während der Fußball Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika 50 deutsche Fans mit Masern infiziert, einer Krankheit, die ganz zu Unrecht als harmlos klingt. Auch gegen Gelbfieber und die extrem gefährliche Tollwut gibt es wirksame Vakzine. Für mehr als die Hälfte aller Todesfälle unterwegs sind allerdings weder hungrige Löwen noch fiese keime verantwortlich, sondern schlicht jene Herz-Kreislauf-Erkrankungen, denen die Menschen früher oder später ohnehin zum Opfer fallen. Allerdings ist das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bei einer strapaziösen Reise durch heiße Länder oder während einer heftigen Durchfallerkrankung signifikant erhöht. Gerade bei Menschen über 50, die heute bereits die Hälfte aller Fernreisenden ausmachen, sollten sich deshalb vor extremen Anstrengungen und verkeimten Mahlzeiten hüten. Nur gegen eine Krankheit hilft keine Impfung und keine Medizin: das Heimweh. Es wurde medizinisch erstmals Ende des 17. Jahrhunderts bei im Ausland stationierten Schweizer Soldaten beschrieben, als eine durch unerfüllte Sehnsucht nach der Heimat bedingte Melancholie, die vermeintlich zu einer Zerrüttung der körperlichen Gesundheit bis hin zum Tode führen konnte. Gegen den Morbus helveticus hilft damals wie heute nur eines: die möglichst schnelle Rückfahrt. Mag sein, das man sich dabei auch noch Durchfall und Malaria erspart.

Aus Rüchemeyer G. „Reisen? Seid ihr wahnsinnig?“ FAZ am Sonntag, Rubrik Wissenschaft, 1. Juli 2012, Nr. 26:54-55